Die Testspiele Billhorner Platz waren eine fünftägige Intervention mit dem Anliegen den aktuell noch fiktiven Billhorner Platz in Gebrauch zu nehmen.
Von Mittwochabend bis Sonntagnachmittag luden mehrere Spaziergänge und räumliche Intervention an und rund um die Kreuzung dazu ein immer wieder die Perspektive zu wechseln.
SPAZIERGÄNGE UND ANLAUFSTELLE
Den Auftakt machte Lisa Marie Zander von projektbüro mit einem Nachtspaziergang. Mit neongelben Stiften kartierten die Teilnehmer:innen während des Spaziergangs unterschiedliche Beleuchtungssituationen in einer zuvor ausgeteilten "Nachtkarte". Welche Lichtquellen- und intensitäten existieren in Rothenburgsort? Wo befinden sich besonders helle und dunkle Bereiche? Kommt das Licht von Straßenlaternen, aus den Fenstern der Wohnhäuser oder der Werbebeleuchtung der Kioske oder Imbisse? Die Teilnehmer:innen machten so die Beleuchtungssituation vor Ort sichtbar – ein ganz entscheidender Parameter der Atmosphäre eines Platzes. Zum Abschluss des Spaziergangs kamen alle wieder an der Anlaufstelle zusammen und stellten sich ihre Ergebnisse bei einem Tee vor.
Ingo Böttcher von der Initiative Hamburgs Wilder Osten begab sich mit seinem Spaziergang auf historische Spurensuche. Er spazierte mit den Teilnehmer:innen an Orte an denen die Geschichte des Stadtteils nicht mehr oder nur noch für Kenner:innen greifbar ist, zeigte dort historische Aufnahmen und setzte sie in Beziehung zur heutigen Situation. Zu Beginn des Spaziergangs nutzte er die Holzverkleidung der Anlaufstelle als Tafel um sich und den Teilnehmer:innen als auch einigen Passant:innen und Besucher:innen der Testspiele ein Bild von der Entstehungsgeschichte Rothenburgsorts zu machen.
Ole Jochumsen, Arbeitsgruppe Stromaufwärts an Elbe und Bille der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, bereiste im von ihm geführten Spaziergang Orte aktueller Stadtentwicklungsplanung – darunter die "Autobahnohren", das "Mercedes-Haus" oder aber auch der sich im Bau befindende Elbtower neben der erst kürzlich fertig gestellten S- und U-Bahnhaltestelle Elbbrücken in der HafenCity. Während dem Spaziergang nutzten viele Teilnehmer:innen die Chance mit ihren Fragen an Hr. Jochumsen und seiner Kollegin Fr. Köster tiefer in die im Detail noch wenig bekannten einzelnen Vorhaben im Projekt Stromaufwärts an Elbe und Bille einzutauchen.
Der Spaziergang mit dem Thema Wasser startete Samstagmittag auf dem Betriebsgelände von Hamburg Wasser. Die Flächen zwischen Billhorner Deich und Vierländer Damm sind für viele Bewohner:innen als auch Besucher:innen des Stadtteils terra incognita. Organisiert hat den Spaziergang die Stiftung Wasserkunst Elbinsel Kaltehofe, die sich um das gleichnamige Baudenkmal im Südosten Rothenburgsorts kümmert.
Den Abschluss am Sonntag machte die Künstlerin Julia Nordholz mit einem Spaziergang zum Thema Stadtkräuter. Zu Beginn wurde den Teilnehmer:innen heißes Wasser aus einem Samowar und frisch gepflückte Kräuter zu einem Tee angeboten, bevor sie selbst in der direkten Umgebung des Billhorner Platzes nach Kräutern suchten und diese identifizierten. Der Spaziergang machte viele große Welten im Kleinen auf und zeichnete das Bild eines Platzes voller besonderer Freiräume jenseits versiegelter Straßen.
Für alle Spaziergänge standen Dolmetscher:innen in English, Französisch und Türkisch bereit. Als Treffpunkt und gut sichtbare Landmarke entwarf raumlaborberlin die Anlaufstelle – eine Art Kiosk aus Holz, den projektbüro und raumlaborberlin mithilfe einiger Leute aus dem Umfeld des Mikropols, einem Projekt und Ort für stadtteilöffentliche Nutzungen direkt gegenüber der Anlaufstelle, in wenigen Tagen auf der eigens dafür gesperrten Parkplatzfläche zwischen den beiden Restaurants im Süden der Kreuzung errichteten. Abseits der Führungen lud die Anlaufstelle zu Tee, Essen und Austausch für Interessierte ein. So ergaben sich viele zufällige als auch geplante Begegnungen mit Bewohner:innen als auch Besucher:innen.
Projektbüro veranstaltete einen Stegreif im Bachelorstudienprogramm Architektur der HafenCity Universität Hamburg. Die Studierenden hatten nach einer intensiven Einführung in die Methode der Situationsanalyse vor Ort drei Tage Zeit ihre Situation zu begehen, den Gebrauch der Stadt aufzuzeichnen, weitere Darstellungen und Texte zur Verdeutlichung zu erarbeiten und eine Gebrauchsform vertieft darzustellen. Die Ergebnisse präsentierten und diskutierten die Studierenden vor Ort im Programm der Testspiele.
Am Donnerstagvormittag reiste das Kunstprofil des Gymnasiums Altona zum Billhorner Platz, um eine Fotorally zu machen. Gegen Mittag kamen alle wieder an der Anlaufstelle zusammen und stellten sich am großen Tisch ihre Fotos auf den Smartphones vor und diskutierten, was es mit dem Gebrauch wohl auf sich hat.
Bereits beim Aufbau machte die Stadtmatratze von raumlaborberlin deutlich, dass es kein einfaches Unterfangen sein wird die Straßenkreuzung zum Platz zu verändern. Die unzähligen und in langwieriger Arbeit aufgeblasenen Gymnastikbälle der Stadtmatratze mussten von der Verkehrsinsel beim Mikropol auf die Flächen vor die benachbarten Wohngebäude befördert werden, wie Schafe von dem Stall auf die Weide. Dabei büxten einige Bälle kurzfristig aus, konnten aber von den Mitarbeiter:innen von raumlaborberlin und projektbüro immer wieder eingefangen werden, bevor sie den Verkehr beeinträchtigten. Zusammen mit zwei Hochtreppen lud die Stadtmatratze zum Perspektivwechsel ein.
Die Anlaufstelle steht nach wie vor, dient über den Winter als Informationsfläche und Treffpunkt bei besonderen Veranstaltungen im Programm des Projektes Post-Corona-Stadt und wird im Frühling 2023 für eine weitere Auflage der Testspiele und dann für das für den Spätsommer geplante 1:1 Experiment, eine im Vergleich zu den Testspielen „umfassendere“ Intervention, erweitert und ausgebaut.