Mit den „Lessons Learned” versuchen wir aus den Beobachtungen der Testspiele #1, den dafür notwendigen Vorbereitung und den Ereignissen im Nachgang, der Situationsanalyse und den uns bekannten Stadtentwicklungsplanungen erste Rückschlüsse zu ziehen und mit dem Thema Post-Corona Stadt in Verbindung zu setzen. Im Sinne eines Zwischenfazits ist vieles zum Redaktionsschluss im Frühjahr 2023 noch vorläufig – wir, die Herausgeberinnen: projektbüro, formulieren Thesen, die es im weiteren Verlauf des Projekts zu überprüfen gilt. Und wir wagen mit dem bisher Gelernten auch einen Ausblick auf den weiteren Prozess, der offen für neue Erkenntnisse und Ergebnisse ist.
Mit dem Erscheinen dieses Magazins liegt der Anfang der Corona-Pandemie ungefähr drei Jahre zurück. „SARS-CoV-2 ist die tödlichste Viruspandemie seit dem Auftreten von HIV im Jahr 1981 und das schlimmste durch die Luft übertragene Virus seit der Großen Grippe von 1918-1920” (Florida 2021). Forschung zur Post-Corona-Stadt – also die Untersuchung der veränderten Lebensbedingungen während und nach der Pandemie und die daraus zu schließenden Schlussfolgerungen für Anforderungen an die zukünftige Gestaltung von Stadt, die eben diesen veränderten Bedingungen besser entsprechen können soll – ist anders als Stadtforschungen, in denen in einem Reallabor Veränderungen im urbanen Leben erprobt und evaluiert werden. Die Corona-Pandemie war kein Experiment, sondern machte uns allen bewusst, was es bedeutet, Dinge anders machen zu müssen. Der gebaute Raum bleibt gleich, aber die Situation verändert sich. In diesem Uminterpretieren einer vorgefundenen Situation liegt aber auch bislang ungenutztes Entwicklungspotenzial (vgl. Dell 2014, 43). Die provisorisch eingerichteten Fahrradwege auf leeren Straßen – man konnte und musste ja nirgends hin – sind wohl das markanteste Beispiel dafür. In der Situationsanalyse und den Testspielen #1 finden sich bereits einige Beobachtungen, die diese Uminterpretationen im Alltag erkennen lassen.
Ein Stadtteil, in dem zahlreiche Neubauvorhaben bereits angelaufen sind und weitere anlaufen werden, gibt Anlass, das Thema “Dichte” vor dem Hintergrund der Pandemie neu zu betrachten.
Rothenburgsort weist heute im Vergleich zu anderen Stadtteilen Hamburgs eine geringe Bevölkerungs- und Bebauungsdichte auf. Die mit dem Wiederaufbau modern angelegte Stadtstruktur bot besonders im Lockdown Naherholungsräume für Bewohner:innen des Stadtteils. Das Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt schafft Abstand und Freiräume zwischen den Wohnbauten, wie in der Stresowsiedlung. Es gibt in Rothenburgsort zur Zeit noch viele und auch versteckte Möglichkeiten, auch kleinteilige Freiräume zu nutzen, auch wenn diese selten eindeutig als Erholungsflächen gekennzeichnet sind.
Nach derzeitigem Kenntnisstand werden mit der Umsetzung der Projekte im Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken, die Neubauprojekte der SAGA zur Nachverdichtung der Stresowsiedlung und am Billhorner Röhrendamm/Billhorner Mühlenweg und der Entwicklung der Gebäude im sogenannten RBO Nord Quartier zwischen Marckmannstraße und Bahndamm insgesamt ca. 2.000 neue Wohnungen entstehen. Projiziert man je Wohnung die durchschnittlichen 1,8 Bewohner:innen, so wäre mit 3.600 neuen Nachbar:innen zu rechnen. Welche Plätze, welche Freiräume, welche Angebote werden sie nutzen können – und wie werden sie in der zukünftigen Entwicklung beitragen können?
In dieser Hinsicht wird ein stärker differenziertes geografisches Verständnis der Pandemie und ihrer Dimensionen, das sich weniger auf Dichte an sich und mehr auf spezifische räumliche Relationen und Bedingungen konzentriert, notwendig (Mc Farlane 2021).
Auf den Blättern der Situationsanalyse finden sich zahlreiche Fotos von Personen, die auf Bänken sitzen, auf der Wiese liegen, auf Pflanzkästen sitzend essen, trinken, rauchen, sich an Geländer lehnen, auf Pollern stehen, in Autos sitzen oder sich daran anlehnen, im Restaurant draußen sitzen, auf wenigen Quadratmetern Rasen trainieren, auf Bürgersteigen unter Bäumen parken. „Ein Ergebnis der Pandemie war das Experimentieren mit einer stärkeren Nutzung des städtischen Raums für die Interaktion im Freien” (Florida 2021, 15). Diese Orte und Räume funktionieren in Relation zu Wohn- und Arbeitsräumen. Der Stadtteil bietet mit dem Entenwerder Park und Kaltehofe weitläufige Grün- und Freiräume. Der Park und die Veloroute 9 wurden während der Pandemie und insbesondere der Lockdowns, als das Hamburger Stadtgebiet nicht verlassen werden durfte, Ziel von Rennradenthusiast:innen und vielen weiteren Amateur- und Hobbysportler:innen – aufgrund der unmittelbaren Nähe und der guten Radanbindung zum Zentrum der Stadt. Es gibt also wohnungsnahe Freiräume, aber diese werden auch attraktiv für viele weitere Menschen der Stadt, die nicht in unmittelbarer Nähe wohnen. Der Entenwerder Park ist nicht der Elbstrand, aber mitunter zieht er bereits heute viele Personen an. Mit den geplanten Neubauten wird sich die Bevölkerungsdichte im Stadtteil erhöhen. Das bedeutet, dass sich auch die Nutzung der vorhandenen Freiräume weiter intensivieren wird. Noch stärker als bisher müssen sie Multifunktionalität leisten können: Verkehrsraum, Konsumraum, Kommunikationsraum, Erholungsraum und Bewegungsraum.
Ein kleines Gebäude zeigt seit einigen Jahren was möglich ist, wenn Akteure mit einem geteilten Anliegen – nach dem Wegfall der Rothenburg ein neues Stadtteilzentrum für Rothenburgsort zu schaffen – zusammenkommen und ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten nutzen sich Raum zu nehmen, und darüber neue Formen der Raumproduktion möglich machen. Während des Lockdowns blieb das Mikropol im Gegensatz zu vielen öffentlichen Einrichtungen und Angeboten von sozialen Trägern nicht geschlossen. Wer einen Schlüssel hatte, konnte den Raum eigenverantwortlich nutzen. Wer keinen Schlüssel hatte, konnte sich einen ausleihen. Räume, die spontan sind, nicht kalkulierbar, auch flüchtig, die sich in ständiger Bewegung befinden und sich durch Unvorhersehbares auszeichnen, können auch und im Besonderen in Krisensituationen öffentliche Räume ausmachen (vgl. Wildner und Berger 2018).
Ohne das Mikropol wäre auch das Projekt Billhorner Platz nicht möglich. Es funktioniert als technische, soziale und kulturelle Infrastruktur. Als bekannter Ort ist es leicht, dort während der Vorbereitungen zu den Testspielen ins Gespräch zu kommen.
Auch in der Steuerung des Pandemiegeschehens gab es etwa „Impfangebote, die an Orten des Vertrauens wie Schulen oder Imbissbuden stattfanden oder in einer Unterkunft durch ein Team von Ärztinnen und Ärzten das mit Übersetzungen durch Menschen aus den Communities der Bewohnerinnen und Bewohner zusammengearbeitet hat. Eine derartige Zusammenarbeit mit dem Ziel, möglichst zeitnahe und niedrigschwellige Angebote vor Ort umzusetzen wurde […] jedoch als noch zu zufällig, fragil und zu wenig gesteuert beschrieben, sodass das Kooperationspotenzial nicht ausgeschöpft wurde“ (Durdel et al 2022, 5).
Vor der Pandemie gab es in Rothenburgsort keinen der in Hamburg gängigen Carsharing Anbieter. Mit dem Erscheinen dieses Magazins sind die Fahrzeuge aus dem Bild des Stadtteils hingegen nicht mehr wegzudenken. Die Stadt schließt zu Rothenburgsort auf. Der Stadtteil wird durch die näher rückende HafenCity, den Ausbau der Infrastruktur und aufgrund seiner Freiräume und Lage an der Elbe bekannt und für mehr Menschen interessant. Die neue Radbrücke wird die Hafencity und die U- und S-Bahnstation besser anbinden - primär an die auch überörtlich relevanten Frei- und Verkehrsräume, wie der Entenwerder Park und die Veloroute 9.
Der Billhorner Platz ist eine Hypothese. Wir haben im Rahmen der Testspiele zum ersten Mal behauptet, dass er bereits da ist, um mehr darüber herauszufinden, wie er produziert wird. In der Produktion der Testspiele haben wir uns dabei mit vielen Expertinnen verschaltet und diverse Fachplanungen, Behörden und Zuständigkeiten auf unterschiedlichen räumlichen und administrativen Ebenen miteinander abgestimmt, um die Durchführung der Testspiele zu ermöglichen. Das gelang in letzter Sekunde, mit viel Engagement und etwas Risiko aller zu den Testspielen Beitragenden.
Mit den Testspielen haben wir die Aufenthaltsmöglichkeiten erprobt. Die beweglichen Bäckerkistenmöbel wanderten auf Verkehrsinseln und Markierungsstreifen. Sitzend konnte man Tee trinken und den Verkehr auf dem Billhorner Röhrendamm beobachten und feststellen, wie leise es ist, wenn Sonntags weniger LKWs unterwegs sind. Zeitgleich ist der Billhorner Mühlenweg und die Kreuzung ein Ort des Sehen- und Gesehenwerdens. Viele stoppen hier wegen der Imbisse und Restaurants oder passieren die Straße, um zur Bushaltestelle zu kommen. Ein betriebsamer Ort ist es allemal. Durch die breiten Straßen und die niedrigen Gebäude ist der Platz, trotz des Verkehrs, weitläufig und fast ganztägig sonnig.
Mit Blick auf den Rahmenplan zum Stadteingang Elbbrücken und teilweise auf Projektebene vorliegende Planungen entsteht ein Bild, wie der Platz künftig aussehen soll. An allen vier Seiten fassen Gebäudekanten den Platz ein, in dessen Sockelzone „publikumsorientierte Nutzungen“ realisiert werden sollen. Dafür werden die heutigen Gebäude an jeder Ecke der Kreuzung durch Neubauten ersetzt. Richtung Billhorner Brückenstraße entsteht anstelle der dann zurückgebauten Bundesstraßenauffahrten ein weiterer Baublock, so dass der Billhorner Platz nicht länger die erste, sondern die zweite Kreuzung bei Einfahrt in den Stadtteil ist. Dadurch erscheint er weniger nah dran an der Billhorner Brückenstraße. Der Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken zeichnet ein langfristiges Zielbild. Als Grundlage für die Konkretisierung und Umsetzung des Rahmenplans hat das Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung des Bezirks Hamburg-Mitte das Bebauungsplanverfahren “Rothenburgsort 20” zu Beginn des Jahres 2023 eingeleitet.
Im Vorfeld der Testspiele ging es in Abstimmungen mit Fachämtern letztendlich immer um den Billhorner Röhrendamm als „kritische Straßenverbindung“. Der Billhorner Röhrendamm ist die einzige Hauptverkehrsachse, die den Stadtteil erschließt. Die Funktionalität, bzw. das Verständnis, dass hier der Verkehr “fließen” muss, und dies meint zunächst den motorisierten Individualverkehr sowie die Buslinien, ist eine wichtige Bedingung, die sich in allen Planungen niederschlägt.
Die Testspiele boten vielfältige Kooperationsformate und damit Formen der Kommunikation an. Im Zentrum standen die Spaziergänge. Expert:innen vor Ort oder in ausgesuchten Fachthemen führten kleine Gruppen von Personen an Orte in unmittelbarem Verhältnis zur Kreuzung, erläuterten, zeigten, diskutierten, fragten, gaben Arbeitsmaterialien und Grundlagen aus, stellten Aufgaben, sammelten ausgefüllte Arbeitsblätter wieder ein, und reichten Tee. Der gemeinsame Tee vor oder nach einem Spaziergang wurde zu einer festen Konstante. Um einen großen Tisch herum oder unter der Plane des Kiosks ließ es sich so in Ruhe unterhalten und das eben Gesehene und Gehörte Revue passieren lassen. Schnell war klar, dass der Kiosk die zentrale Anlauf- und Informationsstelle ist. Und das – neben den vielfältigen Kommunikationskanälen, wie Dolmetscher:innen für Englisch, Französisch und Türkisch auf den Spaziergängen, mehrsprachigen Flyern und Plakaten, Mailings, Website, Instagram, und einer Vorstellung des Projekts und der Testspiele #1 im Stadtteilrat – die Anlaufstelle selbst das Projekt kommuniziert. Als Zeichen, als Ort, aber auch als physischer Träger von Informationen, mit historischen Bildern Rothenburgsort auf der Kioskrückwand, einem sich während der Testspiele verdichtenden Wimmelbild oder als Struktur für Präsentationen und Erklärungen.
Zwischenzeitlich musste die Anlaufstelle abgebaut werden. Im Vorfeld der nächsten Testspiele #2 vom 15.-19. Mai 2023 wird sie jedoch zurückkommen - und den Billhorner Platz wie zuvor rund um die Uhr vorankündigen.
Ein vorläufiges Ergebnis der Testspiele #1 folgt aus einer Beobachtung im Spaziergang zu aktuellen Stadtentwicklungsvorhaben und aus Unterhaltungen und Gesprächen an der Anlaufstelle. Obwohl die umfangreichen Planungen für den Stadteingang Elbbrücken in gängigen Formaten wie Broschüren, Informationsveranstaltungen und auch Presseberichten veröffentlicht und breit kommuniziert worden sind und nach wie vor werden, scheinen sie den meisten Besucherinnen der Testspiele nur flüchtig bekannt oder gar weitestgehend unbekannt zu sein. Auch die Betreiberinnen von Läden und Lokalen gaben, angesprochen auf ihre Vorstellungen für ihre Zukunft, wenn die Pläne aus dem Rahmenplan realisiert werden, an, dass sie nichts darüber wüssten und fragten, woher wir denn davon wüssten.
Gibt es in der Kommunikation von Stadtentwicklung und in der Kommunikation zur Steuerung des Pandemiegeschehens Parallelen?
Mit Blick auf die Ergebnisse der Corona-Studie der Hamburger Sozialbehörde meinen wir: ja, die gibt es. In der Studie wird beschrieben, dass „zielgruppenadäquate Kommunikationsmaßnahmen als relevanter Hebel in der Steuerung des Pandemiegeschehens eingeschätzt werden“ (Durdel et al. 2022, 2). Die Pandemie wird von vielen Menschen als Gefahr wahrgenommen, die subjektive Erinnerungen und Vorstellungen weckt. Gleichzeitig fehlt in einer solchen Krisensituation wie einer Pandemie meistens schlicht die Zeit, was und wie kommuniziert wird, so abzuwägen und zu interpretieren, dass die Informationen auch treffsicher da ankommen, wo sie hinsollen. Im Ergebnis kann eine oftmals sachliche und distanzierte Verwaltungssprache Un- und Missverständnisse sowie Unsicherheiten bei den Betroffenen erzeugen und ist damit auch anfällig für Desinformation.
Welche Kommunikativen Maßnahmen können also vor Ort ankommen? Die Testspiele #1 waren bereit eines dieser Formate. Wir werden auch weiterhin im Projekt daran arbeiten, Planung so zu kommunizieren, dass die Möglichkeiten der Anteilnahme zielgruppenorientiert greifbar werden. Genau deshalb gibt es dieses Magazin. Und wir rufen wir zwei neue Formate ins Leben: den Projektbegleitkreis – eine kleine Gruppe von Menschen und Multiplikator:innen aus dem Stadtteil, mit deren Feedback zur Sicherung einer zielgruppenadäquaten Kommunikationsstruktur – und einen Grünen Tisch – eine Runde von Vertreter:innen zuständiger Fachämter, Behörden und Institutionen zum Austausch über die geplanten Vorhaben. Dabei geht es auch um die Frage, ob und wie die Themen und Anliegen einer Post-Corona-Stadt bereits in den bestehenden Plänen abgebildet sind.
Aus den Erfahrungen rund um die Testspiele #1 können wir sagen, dass es um die „Übersetzung“ geht: erstens mittels Dolmetscherinnen, um Sprachbarrieren zu überwinden; zweitens mittels Kommunikation die Repräsentationsformen wie technische Zeichnungen, Diagramme, Pläne und Fachjargon in greifbare Kommunikation, die „inklusiv an den Lebenswelten verschiedener Bevölkerungsgruppen“ (Durdel et al. 2022, 3) ausgerichtet sind übersetzt; drittens über Netzwerke und Informationsketten vor Ort, in den Stadtteilen, in Nachbarschaften, in Vereinen, über Schulen, KiTas und Pflegeeinrichtungen, über Vertrauenspersonen und Multiplikator:innen. So können sich Personen über Informationen und deren Interpretation versichern und für sich und ihre Situation angemessen handeln. Die Corona-Studie der Sozialbehörde empfiehlt der Freien und Hansestadt Hamburg mit Potenzialstudien nach genau solchen Orten in den Stadtteilen zu suchen und über sie eine Kommunikationsstruktur aufzubauen. Gelingende Stadtteilarbeit, oftmals über einzelne Projekte, macht Vieles von dem, was in der Coronastudie gefordert und empfohlen wird, bereits seit geraumer Zeit.
Während der Testspiele #1 inklusive der Zeiten für Auf- und Abbau und den Betrieb der Anlaufstelle kommen nur wenige Kinder und Jugendliche an der Anlaufstelle vorbei oder nehmen an den Programmpunkten der Testspiele teil. Auch Stadtmatratze und Hochtreppen werden von diesen kaum genutzt. Denn offensichtlich ist allen klar, oder wird jedem Kind eingeschärft, dass eine solche vielbefahrene Straße kein Ort zum spielen ist. Kindern, die sich doch einmal auf der Fläche zwischen den beiden Fahrbahnen des Billhorner Mühlenwegs aufhalten, folgen besorgte, an die Erziehungsberechtigten teils missbilligende, Blicke und Arme werden schützend ausgestreckt. Kinder und Jugendliche eignen sich eher Räume an, die abseits des Billhorner Röhrendamms liegen. Zu nahe brettern die Sattelschlepper vorbei und zu dicht und unübersichtlich parken die Autos. Nicht jeder Ort ist für jede:n, schon klar. Die Pandemie hat aber auch gezeigt, dass der Platz eigentlich da ist. Ohne Tages- und Wochenpendler, die ihren PKW im Umfeld der Kreuzung abstellen, sind die Straßen, oder besser: der öffentliche Raum, weit weniger zugestellt. Die bereits vorliegenden Planungen für den Alster-Elbe-Bille-Grünzug sehen vor, dass die Fahrspuren am Billhorner Mühlenweg reduziert, Grünstreifen und Radwege angelegt und mehr Räume auch für nicht PKW nutzende Akteure geschaffen werden.
Um Kinder und Jugendliche und ihre spezifische Situation im Kontext Post-Corona-Stadt zum Gegenstand des Vorhabens machen zu können und besser zu verstehen, richtet sich das Programm der Testspiele #2 primär an sie.
Eine Veranstaltung wie die Testspiele #1 ist immer auch eine Form der kooperativen Wissensproduktion, aber auch der Wissenskommunikation. Es gilt, sich mit vielen Akteuren zu verschalten, um die Testspiele so hinzubekommen, wie sie konzipiert waren. Insbesondere auf behördlicher und genehmigungsrechtlicher Seite sind viele Stellen einzubeziehen. Nur der Baustellenkoordinator hat den Überblick und die Information über Bauabläufe, damit verbundene Logistik und Auswirkungen auf die Infrastruktur im Stadtteil, was beispielsweise Auswirkung auf den Aufstellungsort der Anlaufstelle haben kann. Das Fachamt Management des öffentlichen Raums und das Polizeikommissariat 41 überprüfen und genehmigen eingereichte Anträge und bestimmen damit, ob die Fläche für die Anlaufstelle genutzt werden darf und wie lange, oder ob damit andere (in diesem Fall parkende Autos) von der Nutzung ausgeschlossen werden, was dann wiederrum als eine unverhältnismäßige Einschränkung der Nutzung öffentlicher Flächen für die Öffentlichkeit eingeschätzt werden kann. Dabei legen alle ihre eigenen Maßstäbe des Beurteilens ein Stück weit offen, geben Einblick in Regeln, Richtlinien und Konzeptionen, mit denen wiederum konstruktiv umzugehen ist.
Ein temporär angemeldetes Projekt ist temporär, wenn es nicht länger als drei Wochen dauert. Danach kann es als Einschränkung des Gemeingebrauchs gelesen werden, selbst wenn es sich räumlich nur um einen PKW-Stellplatz von etwa 2,50 auf 5,00 Meter handelt. Für die vorgezogene Kommunikation von Planungen an dem Ort der jeweiligen Planung selbst braucht es also etablierte Orte, die Bestand haben, auf alltäglichen Wegen liegen und von Vielen gekannt werden.
Referenzen
Durdel, Anja, Piet Hausberg, Ann-Kathrin Schütte, Thorsten Lübbers, Julia Tölle, und Theresa Hohmann. 2022. Studie zu Ursachen und Einflussfaktoren der Heterogenität des SARS-CoV-2-Infektionsgeschehens in den Hamburger Bezirken und Stadtteilen. Hamburg: Freie und Hansestadt Hamburg, Behörder für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration.
Florida, Richard, Andrés Rodríguez-Pose, und Michael Storper. 2021. „Cities in a Post-COVID World“. Urban Studies, Juni. SAGE Publications Ltd, 00420980211018072. doi:10.1177/00420980211018072.
McFarlane, Colin. 2021. „Repopulating Density: COVID-19 and the Politics of Urban Value“. Urban Studies, Juni. SAGE Publications Ltd, 00420980211014810. doi:10.1177/00420980211014810.
Wildner, Kathrin, und Hilke Marit Berger. 2018. „Das Prinzip des öffentlichen Raums“. Bundeszentrale Politische Bildung, Stadt und Gesellschaft, , Juli. https://www.bpb.de/themen/stadt-land/stadt-und-gesellschaft/216873/das-prinzip-des-oeffentlichen-raums/.