Nach zwei Testspielen, dem Feedback auf die erste Ausgabe des Magazins Billhorner Platz #1 — der Platz ist da! (etwas über 350 Exemplare fanden bereits den Weg zu Leser:innen) und viel Zeit vor Ort in und um den kleinen Klappwohnwagen im Austausch mit allen möglichen Nachbar:innen hat sich unsere Aufmerksamkeit für das, was den Billhorner Platz, ausmacht, sensibilisiert.
Damit hat sich das Projektmotiv bereits ein Stück weit eingelöst: Dort, wo uns die Coronapandemie zwang den Alltag zu verändern, uns Entbehrungen, Kürzungen und Streichungen auferlegten, setzt das Projekt an und versucht Möglichkeiten zu verorten, die Dinge anders zu machen. Schließlich hat uns die Pandemie gezeigt, dass das möglich ist. Gelingt es diese Orte, zusammengefasst in der Behauptung „Billhorner Platz“, präzise, im Kleinsten und in ihrer Vielfalt greifbar zu machen, kommen wir zu ganz anderen Verhältnissen des Miteinanders. Einige dieser Verhältnisse haben wir hier versammelt.
Meterhoch prangt das Statement an der Brandwand am Eingang nach Rothenburgsort: „Platz da?!! Für uns Jugendliche!”
In den Maiferien 2023 erarbeiteten Jugendliche aus dem Stadtteil einen Entwurf für das Wandbild am Billhorner Platz. Eine Woche lang wurden unterschiedliche Ideen diskutiert, gebündelt und geschärft, um schließlich in ein gemeinsames, aussagekräftiges Bild überführt zu werden.
Die Idee mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, entstand aus den Ergebnissen der Testspiele #1. Während der Woche im Herbst 2022 fiel auf, dass sich Kinder und Jugendliche sehr wenig und nur im Vorübergehen am Billhorner Platz aufhalten. Kinder und Jugendliche sind häufig wenig an Stadtentwicklungsprozessen beteiligt und ihre Perspektiven sind unterrepräsentiert. Ihre Perspektive ist jedoch gerade in Bezug auf die Anforderungen an Städte und an den öffentlichen Raum nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie für besonders wichtig und ernst zu nehmen.
„Das Bild, das wir mit den Jugendlichen entwickelt haben, ist ein soziales Bild – ein Wandbild, was auf Probleme aufmerksam macht und Fragen stellt. Letztendlich ist es auch die Frage: „Wie wollen wir leben?“ Sandy Kaltenborn
„Lockert den Stadtteil auf. Für jeden!“ Kasimir Sokolowski
„Besonders gut war, dass die Testspiele für alle sichtbar waren. Man konnte sie nicht übersehen. Sehr gut!“ Chioma Obiakor
„Wir wollten damit ein Statement setzen. Rothenburgsort braucht mehr Plätze mit Aufenthaltsqualität für uns Jugendliche.“ Erva
„Wir wollen einen Stau produzieren! Alle sollen hingucken!“ Yousef
„Die Bänke sind toll und werden viel genutzt. Gerade auch in Verbindung mit dem kostenlosen Internet Mobyklick, durch die Bushaltestelle.“ Dirk Schattner
„Mein Lieblingsmoment entstand, als ein Teil des Mühlenwegs gesperrt war und die Jugendlichen das Mikropol als Bühne genutzt haben. Hend hat gerappt, Maram, Israa, Ella, Hiba und Rania, alle haben gesungen und Kinder, die vorbeigegangen sind, haben auch mitgemacht.“ Lisa
Passant:innen entwarfen Zukünfte für den Billhorner Platz. Vor Ort an der Anlaufstelle -einem umfunktionierten Klappwohnwagen – schrieben, zeichneten und klebten Sie ihre Vorstellungen auf eigens dafür entwickelte Formulare mit Referenzbildern und Plangrundlagen. Die ausgefüllten Formulare wanderten ins Archiv der Anlaufstelle. Im ersten Ergebnis zeigen sich fünf Schwerpunkte Platzmonument, dichtes Grün, Co-Habitation*, geteilter Straßenraum und Aktionsräume.
*Co-Habitation bezeichnet hier das solidarische Zusammenleben von menschlichen und nichtmenschlichen Bewohner:innen der Stadt.
GETEILTER STRASSENRAUM
„Verkehr um soziale Bedürfnisse organisieren, nicht umgekehrt!“ ZukunftssituationNr. 29
AKTIONSRAUM
„Platz zum Träumen, Freunde treffen, Naturin der Stadt erleben, Zeit vergessen.“ Zukunftssituation Nr. 31
CO-HABITATION
„Ich wünsche mir einen Wald, als Ankunftsort, der im Sommer kühlt, aber auch im Winter die Möglichkeit gibt, zur Ruhe zu kommen. Zumal es gerade kaum Orte für Tiere gibt. Warum kann es keinen Ort geben, an dem co-existiert wird?“ Zukunftssituation Nr. 22
DICHTES GRÜN
„Dichtes Grün als ‚Oase’ für Menschen, Tiere, Sinne. Mit Gelegenheit zum Zusammenkommen, Essen, Trinken, Spielen: Zentraler Naherholungsort zum Leute Treffen, quatschen, sich gemütlich aufhalten, mittendrin.“ Zukunftssituation Nr. 8
PLATZMONUMENT
„Die Billhorner Piazza wird vom Verkehr für KFZ gesperrt, der wird einspurig herumgeführt. In der Mitte ist Grün, schöne Bäume, Bänke, ein Café, ein Brunnen – ein Platz, an dem sich alle treffen können! I Want it! I Need it!“ Zukunftssituation Nr. 16
Der Billhorner Platz besteht aus vielen Einzelflächen und ist erstaunlich grün. Rund um die Kreuzung Billhorner Mühlenweg / Billhorner Röhrendamm zeigt er sich mit Beeten, Gärten und Grünflächen. Mit und von Nutzer:innen, die sich kümmern, ihn ermöglichen und hier leben. Sie machen den Platz und machen den Platz aus.
Im Verlauf des Projekts fallen immer wieder Flächen rund um die Kreuzung auf, um die sich gekümmert wird und die genutzt werden, die meistens schon grün und da sind. Die Testspiele #2 haben gezeigt, dass mit Sitzmöglichkeiten, Sonne und Bäumen aus Abstandsgrün ein kleiner Park mit viel Aufenthaltsqualität werden kann. Und plötzlich zeigt sich das schon längst vorhandene Potenzial: Zusätzlich zu dem diversen Baumbestand im Nordosten der Fläche fällt direkt angrenzend am Billhorner Mühlenweg und parallel zur Verkehrsinsel mit dem Mikropol eine ungenutzte und bisher einfach nicht beachtete Grünfläche in den Blick. Ein Blick in die bestehenden Planungen zum Alster-Bille-Elbe Grünzug bzw. Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken zeigt, dass mit kleinen Anpassungen der Flächenaufteilungen und der Anbindung an den Bestand, die Fläche zu einem grünen, mit Bäumen beschatteten Platz entlang des zukünftigen Grünzugs werden könnte. Dadurch würde sogar weiterer Raum für die bestehenden gärtnerischen und stadtteilbezogenen Aktivitäten auf der Mittelinsel möglich. Unter Beteiligung der Nachbar:innenschaft entstehen Orte, die bereits anfangen zu wachsen und andeuten, was Orte der Post-Corona-Stadt sein können: grün, nutzbar, divers, aneignungsoffen und selbstgemacht. Nutzungen also mit großem Fortschreibungspotenzial, welches sonst häufig unsichtbar ist oder überplant verpufft.
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite des Billhorner Röhrendamms, befinden sich umgeben von Pflastersteinen drei Beete, in denen große Pinien wachsen. Eine einfache Sitzgelegenheit (Schattenplätze während der Wartezeit auf den Bus) und eine Erhöhung der Pflegeintensität würden ausreichen, um den Ort sowohl in seiner Nutzung als auch im sozialen Gefüge fortzuschreiben. Nachbar:innen und Gewerbetreibende pflanzen Rosen und Lavendel und kümmern sich um die Beete — Mikro-Oasen am Stadtteileingang Rothenburgsort. Etwas weiter südwestlich der Kreuzung, dort wo die Autobahnauffahrten zwischen weiten und durch den Verkehr fast unerreichbaren Grünflächen liegen, und das Straßenbegleitgrün zum Dickicht geworden ist, findet man etwas, was als ein Musterbeispiel für Aneignung und Ausgleich während der Pandemie gelten kann. Statt meterhoher Brennnesseln und vermülltem Dickicht haben Nachbar:innen einen Treffpunkt geschaffen. Mit einem höchsten Maß an Leidenschaft und Eigeninitiative haben sie die Fläche umgegraben und aufgeschüttet, Rasen gesät und Blumen gepflanzt, Tische und Bänke aufgestellt und so in einen Freiraum verwandelt. Die Unsicherheit während der Coronapandemie hat deutlich gemacht, dass Zeit relativ ist. Drei Jahre ohne einen nutzbaren Freiraum in der Nachbarschaft sind lang, drei Jahre in Stadtentwicklungsprozessen sind kurz. Temporäre Dauer als Ist-Zustand und ein weiterer Indikator für Raumbedarfe der Post-Corona-Stadt: Freiraum-Erweiterungsflächen für die bestehende Nachbarschaft statt ausschließlich Bauerwartungsland.