Rothenburgsort, Mitte Mai 2023
Die Testspiele #2 waren eine einwöchige Intervention an der Kreuzung Billhorner Röhrendamm / Billhorner Mühlenweg. Anknüpfend an die ersten Testspiele im Herbst 2022 wurde der Ort erneut auf die Probe gestellt und der Billhorner Platz getestet.
Hatten die Testspiele #1 noch ausgehend von der Verkehrsinsel am Billhorner Mühlenweg mit einer Reihe von Spaziergängen die Gegend rund um den Billhorner Platz erkundet, verorteten sich die Testspiele #2 auf der Wiese vor den Zeilenbauten mit der für öffentliche Wohnbauten typischen Backsteinfassade im Nordosten des Billhorner Platzes. Die Wiese reicht von einer Brandwand im Osten entlang des Billhorner Röhrendamms bis zum Billhorner Mühlenweg. Nach der Fahrbahn Richtung Norden steht auf einer Verkehrsinsel ein ehemaliges Toilettenhäuschen, das nach einem Umbau vor einigen Jahren, nun von vielen Personen als stadtteilöffentlicher Raum Mikropol betrieben und genutzt wird.
Der Fußweg auf den unterschiedlichen Flächen des Kreuzungsbereiches wurde mit rotem Farbpulver zusammengezogen.
Möbel aus Bäckerkisten und Sperrholzplatten stehen verteilt auf der Wiese, die zuvor sogut wie nie zum Verweilen genutzt wurde. Dabei ist die Wiese im Nordosten der Kreuzung von morgens bis zur Dämmerung in der Sonne. Ab dem frühen Nachmittag dreht sich die Sonne immer mehr in die Fläche vor den Wohnbauten. An der Ecke der Kreuzung braucht es nicht viel, um einen Platz anzubieten. Die Möbel konnten in Absprache mit der Eigentümerin der Wohnbauten auch in den Tagen und Wochen nach den Testspielen #2 noch stehen bleiben.
SCHILDERWALD
Was hat es mit den Schildern auf sich? Immer wieder stoppten Passanten, Besucher:innen gleichermaßen wie Bewohner:innen des Stadtteils, Motorrad-, P- und LKW Fahrer:innen, vereinzelt auch der BünaBe (bürgernaher Beamter der Polizei), Mitarbeiter:innen des Fachamts Management des öffentlichen Raums, Polizeistreifen, die Gewerbetreibenden der anliegenden Kioske und Restaurants um zu fragen, ob das hier eine Demonstration, ein Fest, eine Baustelle oder ähnliches sei. Die Schilder sind der Situation der Verkehrskreuzung entnommen. und wurden in den vor den Testspielen mit Plänen und isometrischen Zeichnungen der Kreuzung plakatiert und mit Themen und O-Tönen aus dem bisherigen Prozess und den Themenfeldern des Bundesförderprogramms Post-Corona-Stadt beschriftet. Die Schilder stecken angespitzt in der Erde, oder in Bakenfüßen auf versiegelten Flächen.
ANLAUFSTELLE 2.0
Die Anlaufstelle 2.0 – ein umgebauter Klappwohnwagen – dient als zentraler Diskussionspunkt und Vor-Ort-Planungsbüro. Die Inneneinrichtung baute die Tischlerei ATIC aus dem Holz der Anlaufstelle 1.0. Der kiosk-artige Holzbau auf der Verkehrsinsel musste nach nicht verlängerter Sondernutzungserlaubnis im Winter abgebaut werden. Größter Eingriff in den Klappwohnwagen ist die neue Klappe aus transparenter Doppelstegplatte mit dazugehöriger Tresenfläche, auf der noch die Aufschrift Billhorner Platz der Anlaufstelle 1.0 zu lesen ist. Die Klappe öffnet den Klappwohnwagen großzügig und macht ihn zu einer Anlaufstelle.
Projektbüro bot während der Testpspiele Espresso, Cappuccino, das Magazin “Billhorner Platz #1 – Der Platz ist da” an und arbeitete mit Anwohner:innen zur Zukunft Billhorner Platz. Personen konnten die dafür vorbereiteten Planungsbögen “Zukunft Billhorner Platz” ausfüllen, indem sie aus Karteikarten einzelne Aspekte von Plätzen, Parks, und co. im Sinne einer Referenz auswählen und ihre Vorstellungen über eine Beschreibung, eine Verortung auf einem Schwarzplan und einer Zeichnung auf Grundlage der Raumkanten des Billhorner Platzes festhalten. Alle ausgefüllten Blätter, es kamen mehr als 50 über die Woche zusammen, sicherte projektbüro im Archiv des Projektes. Sie werden in Folge der Testspiele #2 ausgewertet, mit dem Projektbegleitkreis besprochen und in die Dokumentation des Projektes überführt. Neben den Blättern ergaben sich auch zahlreiche Gespräche über den Ort und das Projekt und einige Interviews darüber, wie sich der Alltag am Billhorner Platz seit dem Aufkommen der Coronapandemie verändert hat. Diese wurden in einer Art Gästebuch und als Audioaufzeichnung festgehalten, und gehen ebenfalls in die Dokumentation ein.
FERIENPROGRAMM
Im Mikropol leiteten die Künstler:innen Sandy Kaltenborn und Stefan Endewardt (image-shift) zusammen mit Suna J. Voß und Nebou N’Diaye (dock europe) ein Ferienworkshop. Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil erarbeiteten Motive für ein riesiges Wandbild, das ab Ende Juni den Billhorner Platz zieren wird. Am Rothenburgsorter Marktplatz „hängt“ seit vielen Jahren ein Wandbild, das damals Künstler:innen aus dem „Mercedes-Haus“ realisiert hatten. Für die Testspiele #2 nutzten projektbüro und raumlabor dieses im Stadtteil bekannte Medium und übersetzten es in die Fragestellung des Projektes Post-Corona-Stadt.
Der Künstler Philipp Mechsner (Wandadel) bringt ein überarbeitetes Motiv Ende Juni an die Brandwand am Billhorner Platz. Er stellte den Kindern und Jugendlichen während des Ferienprogramms seine Arbeitsweise vor, was die Vorfreude bei den allen Beitragenden nochmals steigerte.
Mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, entstand aus den Ergebnissen der Testspiele #1. Während der Woche im Herbst 2022 fiel zum einen auf, dass Kinder und Jugendliche kaum oder nur im Vorrübergehen in der Gegend des Billhorner Platzes sind. Ihre Flächen sind im Stadtteil anderswo – entsprechend der Stadtstruktur eher im Inneren der Stresowsiedlung, im Haus der Jugend, am Bolzplatz, im Entenwerder Park, an der neuen S-Bahn-Station Rothenburgsort, abgewandt von der kritischen Straßenverbindung Billhorner Röhrendamm und damit dem Ort, an dem in Zukunft der „Stadtplatz“, so die Bezeichnung im Rahmenplan Stadteingang Elbbrücken, entstehen soll. Zum anderen wurde bereits während der Recherchen im Vorfeld des Projektes deutlich, dass die Situation von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Coronapandemie nur wenig Repräsentation und Einfluss in die Politikgestaltung fand. Der Subtext des Entwurfes für das Wandbild war für die jugendlichen Künstler:innen schon an Tag eins des Workshops klar: Mehr Platz für Jugendliche in Rothenburgsort.
Im Verlauf der Woche entdeckten Besucher:innen der Testspiele immer mehr Spuren der Arbeit im Ferienprogramm. Die Kinder und Jugendlichen gingen Stück für Stück aus dem geschützten Raum des Mikropols heraus und klebten erste Zuschnitte auf Ampeln, Stromkästen, Schilder, die Anlaufstelle und weitere Gegenstände im öffentlichen Raum. Auch zum Pause machen, gingen die Teilnehmer:innen des Ferienprogramms auf die Straße.
AD HOC STRASSENFEST
Für den Donnerstag, ein Feiertag, konnte eine Fahrbahn des Billhorner Mühlenwegs vom Billhorner Röhrendamm bis zur Marckmannstraße für Autos gesperrt werden. Flux schob Marius Mandery das von XYZ-Cargo gemietete Pizza Cargo Fahrrad auf die Straße und nahm den Ofen in Betrieb. Die Kinder und Jugendlichen übernahmen die Situation und bereiteten für sich und einige Passant:innen Pizza zu. Nur ein paar Meter weiter rappten und sangen andere Jugendliche des Ferienprogramms einigen ihrer liebsten Songs über einen tragbaren Lautsprecher, den sie mit Mikrofonen ausgestattet nach draußen gestellt hatten. Das Publikum nahm auf der langen Bank vor dem Mikropol und einem Podest an der Straßenkante Platz, oder stand entspannt auf der abgesperrten Straße. Auch hier zeigte sich, dass mit dem, was da ist, schon eine Menge Spaß und zu haben ist.
An vier der fünf Tagen lud Abendprogramm weitere Gäste auf die Fläche ein. Ingo Böttcher veranstaltete eine immer wieder im Stadtteil stattfindende Fahrradselbsthilfewerkstatt gleich neben der Anlaufstelle. Schon bevor der fahrbare Montageständer in Position und Ingo seinen ersten Cappuccino getrunken hatte, standen die Kund:innen Schlange. Fahrrad für Fahrrad leitete Böttcher die Reparaturarbeiten bis in die Abendstunden an.
Im Gespräch mit Milli Schroeder von der Poliklinik stellte Lisa Marie Zander heraus, was es bedeutet, Stadtteilarbeit zu leisten und was damit gewonnen ist, wenn man die Situation, in der Menschen leben, mitdenkt. Es wurde darüber diskutiert, wie wichtig eine Gesundheitsversorgung in Stadtteilen wie der Veddel und eben auch Rothenburgsort ist.
Der Post-Corona-Stadt Spaziergang war während der Testspiele #1 aufgrund heftigen Regenfalls ausgefallen. Dominique Peck holte ihn nun nach. Er berichtete an Ort und Stelle über einige Forschungsdesiderate aus der noch jungen Stadtforschung zum Thema der Coronapandemie und bat die Teilnehmer:innen des Spaziergangs um Reflexion und alternative Einblicke.
Für Freitag 16.00 Uhr stand das Abschlussfest des Ferienworkshops auf dem Plan. Die Kinder und Jugendlichen öffneten das Rolltor des Mikropols und präsentierten ihre Arbeiten vor einem vollen Haus.
An den Testspielen #2 gab es einen Ferienworkshop für Kinder und Jugendliche, eine räumliche Intervention aus Sitzmöbeln und zahlreichen Schildern und die Anlaufstelle 2.0, ein umfunktionierter Klappwohnwagen. Im Ergebnis bleibt ein von den Kindern und Jugendlichen erarbeitetes Motiv für ein etwa 12 mal 18 Meter großes Wandbild, das im Juni realisiert wird, eine Vielzahl an Vorstellungen zur Zukunft Billhorner Platz und der erneute Beleg, dass vieles von dem, was den Billhorner Platz ausmacht, schon da ist.
Die Vernissage des Wandbilds ist für den 23.6., 16.00 Uhr geplant. Die Arbeiten dafür finden in der Woche vom 19. statt.
Die Anlaufstelle wird von nun an regelmäßig geöffnet sein. Die Termine dafür werden noch bekanntgegeben.