Die Anlaufstelle ist für viele das Gesicht des Projektes. Mal steht sie hier, mal steht sie dort. Mal ist sie aus Holz, dann ein nach dem Vorbild der sogenannten Superbude umfunktionierter Klappwohnwagen. Mal steht ist sie die Adresse des Projektes, mal rückt sie in den Hintergrund. Immer markiert sie einen Ort für Unterhaltungen, über die Geschehnisse im Stadtteil, im Projekt am Billhorner Platz.
Der Text bringt einige Episoden der Anlaufstelle über die Projektlaufzeit zusammen.
Aus den Testspielen #1 im Herbst 2022 verbleibt der sechseckige aus Holz gebaute Kiosk auf der Parkfläche zwischen den beiden südlichen Fahrbahnen des Billhorner Mühlenwegs.
Mit dem Ende der ersten Testspiele beginnt der regelmäßige Betrieb der Anlaufstelle.
Einmal pro Woche stehen die beiden Flügeltüren des hölzernen Kiosks offen und die darin gelagerten für die Testspiele gebauten Elemente möblieren den öffentlichen Raum rund um die Anlaufstelle. Die Betongewichte und Spanngurte des Kiosks halten die parkenden PKWs auf Abstand.
Behördliche Vorgaben beenden nach einigen Wochen zunächst den weiteren Betrieb. Am 30. November 2022 endet die Erlaubnis nach dem Hamburgischen Wegegesetz; die Anlaufstelle muss abgebaut werden. Alles, was an Material zu retten ist, kommt in Treppenhäusern, unter Vordächern und anderen Lagerplätzen bei Freund:innen und Bekannten in der Nachbarschaft oder an befreundeten Orten in Hamburg unter. Das Material soll möglichst komplett später im Projekt erneut eingesetzt werden. Dort wo bis Ende des Jahres 2022 noch die Anlaufstelle stand, befindet sich seither eine Baustelleneinrichtung.
Mit den steigenden Temperaturen im Frühjahr 2023 nehmen auch die Planungen für die zweite Auflage der Anlaufstelle Fahrt auf. In Nachbarschaft zum Mikropol parkt ein Klappwohnwagen, die Superbude. Sie soll instand gesetzt werden und dem Projekt als Anlaufstelle dienen. Die Kfz-Werkstatt widerspricht. Die Superbude lässt sich nur mit erheblichem finanziellem Aufwand wiederherstellen.
In Kleinanzeigen werden ähnliche Gefährte angeboten. Die Verkäuferin, etwa eineinhalb Autostunden vom Billhorner Platz entfernt, wünscht den beiden angereisten Mitgliedern des Projektteams bei der Abfahrt viele schöne Urlaubstage. Wenn sie nur wüsste. Einige Wochen vor den Testspielen #2 legen die Handwerker:innen von bauer + planer mit der Transformation des Klappwohnwagens los. Regale und eine Bar entstehen aus dem eingelagerten Material der ersten Anlaufstelle. Eine große Klappe kommt neu dazu.
Während der Testspiele #2 parkt die Anlaufstelle an unterschiedlichen Orten auf der Fläche vor den Zeilenbauten am Billhorner Platz. Je nachdem, was auf dem Programm steht und wie das Wetter sich entwickelt, verändert sich ihr Ort. Ein neuer Platz wird anvisiert, alle müssen raus, alles, was umfallen kann, muss festgemacht werden, Espressomaschine von der Kabeltrommel lösen, Standfüße hochkurbeln, Handbremse lösen, Ziel anvisieren, bis zum gewünschten neuen Parkplatz schieben, ziehen, und sobald dieser erreicht ist, wird die Position feinjustiert, alles wird wieder für den Betrieb aufgebaut, Brotstühle und Beistelltischchen werden nachgerückt und schon ist eine neue die Situation hergestellt.
Die Kabelbrücke ist seit gestern ein gutes Stück in Richtung Fahrtrichtung gerutscht. Sie muss wieder auf Höhe der Steckdose am Mikropol zurück, sonst reicht das Kabel nicht. Gelbe Klappen auf, Kabel rein, Klappen runtertreten, dann die Kabeltrommel abspulen bis zur Anlaufstelle, dort Verteilerstecker für die italienische Kaffeemaschine und die Induktionsplatten für Milchschaum anschließen. Tassen und Milchkannen kommen sauber aus dem Mikropol, ein neuer Satz Magazine in die Aufsteller, neue Blätter für die Zukunftssituationen werden aufgelegt, die Bilder in den Fotokästen in Ordnung gebracht.
Die Anlaufstelle parkt etwas östlich der Haltestelle der Metrobuslinie 3 stadteinwärts. Das kleine Schild mit der Aufschrift „Was passiert hier?“ lehnt gleich unter dem Rücklicht. Für heute Abend ist eine Diskussion mit der Poliklinik angekündigt. Das Wetter ist wechselhaft. Das Projektteam holt schon mal die Regenschirme, die für die Spaziergänge im Rahmen der Testspiele #1 angeschafft wurden, aus dem Mikropol. Dort lagert alles, was man an Ausstattung und Technik über den Verlauf der Testspiele inklusive Auf- und Abbau brauchen könnte. Während das Projektteam die Brotstühle mal in Form eines Auditoriums arrangiert, die mobilen Lautsprecher und die Mikrofone anschließt und testet, herrscht reges Treiben an der Anlaufstelle. Einige der im Stadtteil aktiven Nachbar:innen haben sich hier zum Besuch der Testspiele verabredet. Sie alle füllen die Notationsbögen der Zukunftssituationen aus. Sie tauschen sich darüber aus, schauen ab, nehmen die Klemmbretter hoch und weg, jede:r soll ein eigenes ausfüllen. Das Treiben lockt weitere Passant:innen an. Wer ein paar Minuten auf den Bus wartet, kann auch einen Notationsbogen ausfüllen. Meist fahren ein oder zwei Busse dann vorüber. Gleich neben der Haltestelle steht die Brotstuhl-Bank: zwei Bäckerkisten auf drei Beine gestellt mit Rückenlehne. Es ist viel los an diesem Freitagnachmittag.
Die Anlaufstelle ist auch außerhalb des Projekts Billhorner Platz am Billhorner Platz aktiv. Im Rahmen des vom Mikropol e.V. veranstalteten Kongress der Mikropolitiken nutzt der Verein den umfunktionierten Klappwohnwagen als DJ-Booth auf dem Weg der Performance vom Mikropol über den Billhorner Mühlenweg Richtung Süden zur Fläche des geplanten Stadtteilzentrums Rothenburgsort zwischen dem Holiday Inn und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein. Am Folgetag serviert der Mikropol e.V. Getränke aus dem Klappwohnwagen und nutzt ihn als räumlichen Abschluss für die Fläche auf der gesperrten Fahrbahn.
20. September 2023, 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr. Der Betrieb der Anlaufstelle ist in Dienste eingeteilt. Jeweils eine Person aus dem Team macht einen Nachmittag. Sind alle durch, geht es von vorne los. Die Anlaufstelle öffnet zwischen den Testspielen #2 und dem 1:1 Bauexperiment zunächst einmal, in den Wochen vor dem 1:1 Experiment dann mit der Unterstützung einer weiteren Person aus dem erweiterten Projektteam dreimal die Woche. Der Dienst beginnt mit einem Rundgang um die Anlaufstelle, Müll entsorgen, Flaschen sammeln, Brotstühle neu aufstellen und Reparaturen durchführen. Mit dem Zahlencode öffnet sich die Anlaufstelle. Klappe auf, von außen die Bar anbringen, Innen die Schublade der Küche hochklappen, rüber ins Mikropol, Getränke vorbereiten, Wasser in eine 2,5 Liter Glaskaraffe füllen, Kaffee über die Filtermaschine laufen lassen und dann in die Thermoskanne füllen, Becher und Tassen aufs Tablett und alles rüber in die Anlaufstelle. Die Getränke kommen auf die Anrichte, also die Küche, des Klappwohnwagens, Magazine und Flyer auf die Bar davor. Die ersten Schüler:innen kommen und fragen nach Wasser. Die warmen Temperaturen machen den Kindern zu schaffen. Nach dem ersten Becher bekommen sie eines der Faltposter mit dem Wandbild drauf. Dann ist eine kleine Pause. In der Zeit werden Fotos gemacht, von der Anlaufstelle, von den Veränderungen, den Baustellen, von den Läden gegenüber, von den Leuten auf den frisch eröffneten Skulpturen und den Brotstühlen. „Kann ich Ihnen ein Magazin geben, möchten Sie einen Kaffee?“